Die schlimmste Antwort auf alle Fragen: Es läuft!

Ich möchte mich der für mich schlimmsten Antwort widmen, die man auf ehrlich gemeinte Fragen bekommen kann. Das oberflächliche, dahin gesagte „Es läuft!“

Warum, fragst du dich jetzt vielleicht. Das ist doch eine gute Antwort. Kurz, knapp und präzise wird zum Ausdruck gebracht, dass ein Vorgang oder ein Auftrag bearbeitet wird und keine Hemmnisse bestehen oder sonstige Verzögerungen bei der Erledigung aufgetreten sind bzw. absehbar wären.

Es klingt ja auch auf den ersten Blick so. „Ich bin dabei und ich habe keine Probleme.“ Es läuft halt.

Aber was läuft denn? Wie steht es um den Vorgang und welche Schritte stehen noch bis zur Erledigung aus? Denn aus eben diesen Gründen frage ich doch, ich möchte einen Status erfahren.

Und genau an diesem Punkt trennt sich auf beiden Seiten der Fragestellung die Spreu vom Weizen. Frage ich wirklich ernsthaft und interessiert nach, dann kann ich mich mit einer so unbestimmten Phrase nicht abspeisen lassen.

Als Antwortender sollte ich auf Nachfrage offen und ehrlich einen Sachstand darstellen können, in Kürze oder ausführlich. Wo befinde ich mich im Arbeits- und Zeitplan, gibt es Probleme, bewältige ich meine Aufgaben oder benötige ich Unterstützung.

Kann oder will ich als Antwortender nicht ehrlich sein, lüge ich ungeniert oder ich greife in abgeschwächter Form zu einer Notlüge und sage: Es läuft!

Denn das tut es ja, bergab und ins Verderben, aber es läuft…

Trifft jetzt geheucheltes Interesse auf eine solche Notlüge, gehen beide Seite beruhigt, aber unverrichteter Dinge, auseinander. Einerseits wurde die Frage inhaltslos beantwortet und der Antwortende hat sich Zeit verschafft, vielleicht doch seinen Vorgang voranzubringen. Der Fragende wiederum kann sich auf dem trügerischen Gefühl ausruhen, Interesse gezeigt und mittelbar Unterstützung angeboten zu haben.

Und außerdem, es läuft ja. Also muss doch alles gut sein. Oder?

Worin liegt nun, meiner Meinung nach, die Gefahr? Ich bin mir sicher, dass du es schon erkannt hast.

Gefährlich, und zwar für alle Beteiligten, wird es, wenn es sich nicht um eine sanfte Notlüge handelt, um sich Ruhe und Zeit für den entsprechenden Vorgang zu verschaffen. Viel zu oft habe ich erlebt, wie die Binse „Es läuft“ genutzt wird, wenn schon einiges im Argen liegt oder sich ein Scheitern zumindest andeutet.

So wird der Mantel des Schweigens über Probleme gelegt, die sich vielleicht mit der Zeit von allein lösen oder nicht, die aber gelöst werden müssten, um den gestellten Auftrag zu erledigen. In der Regel ist dann zur Lösung Unterstützung nötig, weil man sie allein nicht bewältigt bekommt.

Ein derartiger Ruf nach Hilfe wird in unserer Leistungsgesellschaft viel zu oft als Schwäche und Scheitern ausgelegt, durch uns selbst, aber vor allem von außen durch die Gegenüber, insbesondere durch den Auftraggeber.

Und wer möchte schon gern als inkompetent und schwach gelten?

So erwächst aus dem allgegenwärtigen Erwartungsdruck eine potentielle Gefahr.

Denn grundsätzlich sind Probleme erst einmal Chancen und Herausforderungen. Aufgaben, die wir nicht mal eben aus dem Ärmel schütteln, fordern uns heraus. Vielleicht brauchen wir neue Fähigkeiten oder Fertigkeiten, um sie zu bewältigen. Vielleicht benötigen wir Fachexperten oder Spezialisten, weil wir uns die notwendigen Kenntnisse nicht aneignen können.

Problematisch wird es erst, wenn wir uns den nötigen Zeit-Mittel-Kräfte-Ansatz anschauen und feststellen, wir werden die gestellte Aufgabe nicht termingerecht erledigen können.

Und trotzdem kommt es häufig vor, insbesondere in diesem großen Hierarchiesystem, in dem ich mich bewege, dass Ausflüchte, Ausreden und Lügen sich in einer kurzen, knappen und präzisen Antwort bündeln: Es läuft.

Viel zu oft lösen sich Dinge tatsächlich auf der Zeitachse auf, quasi ganz von allein. Die Anfrage hinsichtlich bestimmter Daten und ihrer Bewertung wird verworfen, die Umstände haben sich zwischenzeitlich verändert und die zuvor bestandene Relevanz hat sich erübrigt. Oder man lässt einen Meldetermin verstreichen und es wird keine Nachmeldung eingefordert. Das lässt über kurz oder lang die Erkenntnis reifen, dass es dann ja nicht so wichtig sein kann. Dann brauche ich mich doch gar nicht damit befassen und mir eventuell sogar etwas Neues aneignen müssen und meine Komfortzone verlassen.

Entsteht vor deinem inneren Auge auch so ein furchtbares Bild von Stillstand, gar Rückschritt, an Stelle von Progression und Dynamik?

Ich bin mir sicher, dass auch du schon solche Situationen erlebt hast. Vielleicht als Fragender, vielleicht als Antwortender. Versuche, dich in die damalige Situation zurückzuversetzen. Was waren deine Beweggründe und wie hat sich das angefühlt? Wie ging es mit dem fraglichen Vorgang weiter und was hat das mit dir gemacht?

Ich glaube, in den wenigsten Fällen war es ein ehrliches und pragmatisches „Es läuft“.

Und deshalb ist „Es läuft“ die schlimmste Antwort auf alle Fragen. Sie ist trügerisch und gefährlich und somit schlussendlich ungesund im gesellschaftlichen, privaten und beruflichen Miteinander.

Wenn dir diese Antwort das nächste Mal begegnet, frage nochmal nach, was das bedeuten soll. Schließlich hast du im Grunde genommen keine Antwort erhalten.

Ich würde mich noch mehr darüber freuen, wenn du darauf achtest, ob du auf die nächste Frage, wie weit Vorgang XY sei, mit „Es läuft“ antworten möchtest und dann davon absiehst und stattdessen einen ehrlichen Sachstand darstellst und im Zweifel um Unterstützung bittest, wenn es nötig erscheint.

Getreu einem meiner Mottos: Dreistigkeit kommt weiter, aber am Ende gewinnt die Ehrlichkeit!

Davon bin ich überzeugt und vielleicht konnte ich auch dich davon ein wenig überzeugen, lass es mich gerne wissen.

Was ist für dich die schlimmste Antwort, die du zu hören bekommen hast und auf welche Frage? Schreib es mir gern in die Kommentare oder schicke mir eine Nachricht.

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